Kann man wegen Krankheit gekündigt werden? : Das ist wichtig!

Aktualisiert am 27. Januar 2023 von Ömer Bekar

Infos zu Kann man wegen Krankheit gekündigt werden
Zu den Sorgen im Krankheitsfall kommt oft noch die Angst vor dem Jobverlust dazu.

Manche Leute werden häufiger krank, andere seltener. Einige gehen trotz Grippe und Fieber arbeiten, andere bleiben schon bei leichten Kopfschmerzen lieber zuhause. Dazu kommen die Fälle, in denen Arbeitnehmer wirklich schwer erkranken und deshalb für lange Zeit oder sogar dauerhaft arbeitsunfähig sind. Und als wäre das noch nicht schlimm genug, flattert womöglich noch die Kündigung ins Haus. Nur: Kann man wegen Krankheit gekündigt werden? Oder ist die Kündigung dann gar nicht wirksam? Und wenn eine krankheitsbedingte Kündigung zulässig ist: Wann kann man wegen Krankheit gekündigt werden? Wie läuft das Ganze ab? Fragen über Fragen! Wir geben Antworten.

Kann man wegen Krankheit gekündigt werden?

Um gleich mit einem weit verbreiteten Irrglauben aufzuräumen: Eine Erkrankung schützt nicht vor einer Kündigung!

Im Arbeitsrecht der ehemaligen DDR war es ausgeschlossen, dass ein Arbeitnehmer während einer Erkrankung gekündigt wird. Hier war es also tatsächlich so, dass der Arbeitnehmer keine Kündigung fürchten musste, wenn und solange er krank war.

Doch in der Bundesrepublik gab es so eine Regelung nie. Und auch heute schützen weder das Arbeitsrecht noch das Kündigungsschutzgesetz vor einer Kündigung im Krankheitsfall.

Vielmehr ist es so: Unter bestimmten Umständen kann eine Erkrankung sogar der Grund für eine Kündigung sein.

Was ist eine krankheitsbedingte Kündigung genau?

Eine Kündigung wegen Krankheit ist eine Kündigung, die der Arbeitgeber ausspricht, weil es durch die Erkrankung des Arbeitnehmers zu erheblichen Vertragsstörungen kommt.

Der Hintergrund dazu ist folgender: Unterschreiben Sie einen Arbeitsvertrag, verpflichten Sie sich dazu, die vereinbarte Arbeitsleistung zu erbringen. Im Gegenzug bezahlt Ihnen der Arbeitgeber Lohn oder Gehalt. Können Sie dieser Pflicht nicht (mehr) nachkommen, weil sie krank sind, kommt es zu einer Vertragsstörung. Denn der Vertrag wird nicht so erfüllt, wie es vereinbart war.

Greift bei Ihrem Arbeitsverhältnis das Kündigungsschutzgesetz (KSchG), gilt ein allgemeiner Kündigungsschutz. Das ist der Fall, wenn Ihr Arbeitgeber mehr als zehn Mitarbeiter in Vollzeit beschäftigt und Ihr Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate besteht. Dann braucht Ihr Arbeitgeber einen triftigen Grund für eine Kündigung. Sonst wird sie nicht wirksam. Das ist sowohl bei einer außerordentlichen als auch bei einer ordentlichen Kündigung so.

Dabei ergeben sich aus § 1 Abs. 2 KSchG drei mögliche Kündigungsgründe für den Arbeitgeber, nämlich

  • personenbedingte Kündigungen,
  • verhaltensbedingte Kündigungen und
  • betriebsbedingte Kündigungen.

Die Kündigung wegen Krankheit gehört zu den personenbedingten Kündigungen. Denn die Erkrankung ist ein Kündigungsgrund, der in der Person des Arbeitnehmers liegt.

Wann kann man wegen Krankheit gekündigt werden?

Bloß weil Sie einmal krank werden, kann Ihr Arbeitgeber Sie nicht gleich kündigen. Denn die Krankheit als solches rechtfertigt noch keine Kündigung. Damit eine krankheitsbedingte Kündigung zulässig und wirksam ist, müssen vielmehr drei Voraussetzungen erfüllt sein.

1. Negative Gesundheitsprognose

Zunächst einmal muss eine Gesundheitsprognose erstellt werden. Sie soll klären, ob und wann der Arbeitnehmer wieder arbeiten kann. In diesem Zuge muss auch geprüft werden, ob der Arbeitnehmer nach seiner Genesung an seinen Arbeitsplatz zurückkehren kann – oder ob vielleicht Einschränkungen zurückbleiben.

Nun ist es aber oft nicht möglich, genau zu beurteilen, ob und wann eine Therapie wie gut anschlägt. Und wie sich der Gesundheitszustand insgesamt entwickeln wird. Aus diesem Grund geht die Gesundheitsprognose vom Zustand zum Zeitpunkt der Kündigung aus. Außerdem bewertet sie die bisherige Situation. Wie oft, warum und für wie lange ist der Arbeitnehmer in der Vergangenheit krankheitsbedingt ausgefallen?

Auf dieser Basis wird eine Vorhersage für die Zukunft erstellt. Negativ ist die Prognose dann, wenn der Arbeitgeber nicht (sicher) davon ausgehen kann, dass der Arbeitnehmer wieder vollständig gesund wird.

Oder anders ausgedrückt: Wenn der Arbeitgeber befürchten muss, dass Sie auch in Zukunft immer wieder im gleichen Umfang krankheitsbedingt ausfallen werden, wird er von einer negativen Gesundheitsprognose ausgehen.

Allerdings kann sich der Arbeitgeber nicht nur auf reine Vermutungen stützen. Vielmehr muss er sich schon an Tatsachen orientieren. Diese können zum Beispiel Diagnosen, Befundberichte oder ärztliche Gutachten liefern. Zudem spielt, wie schon erwähnt, der bisherige Verlauf eine Rolle.

2. Erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen

Der zweite Punkt ist, dass die krankheitsbedingten Ausfälle des Arbeitnehmers die betrieblichen oder wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers erheblich beeinträchtigen müssen. Das ist vor allem dann der Fall, wenn die Fehlzeiten die Abläufe im Betrieb stören. Oder wenn die Kosten, die dem Arbeitgeber durch die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall entstehen, zu einer erheblichen Belastung werden.

Allerdings kann der Arbeitgeber diesen Nachweis eigentlich nur dann erbringen, wenn er zuvor ein betriebliches Eingliederungsmanagement, kurz bEM, durchgeführt hat. Das bEM soll klären, wie die Arbeitsunfähigkeit überwunden werden kann. Außerdem soll es ermitteln, welche Leistungen oder Hilfen notwendig sind, damit der Arbeitnehmer nicht wieder erkrankt und seinen Arbeitsplatz behalten kann.

Der Arbeitgeber ist dazu verpflichtet, so ein bEM durchzuführen. Und zwar dann, wenn der Arbeitnehmer im Verlauf eines Jahres mehr als sechs Wochen wegen Krankheit gefehlt hat. Ob er die sechs Wochen an einem Stück oder mehrfach kürzer krank war, ist egal. Die Pflicht ergibt sich aus § 167 Abs. 2 Neuntes Sozialgesetzbuch (SGB IX). Und sie gilt nicht nur bei Schwerbehinderten, sondern bei allen Arbeitnehmern.

Führt der Arbeitgeber kein bEM durch, gehen die Gerichte in aller Regel davon aus, dass die krankheitsbedingte Kündigung nicht das mildeste Mittel war. Vielmehr hätte es vermutlich andere Möglichkeiten gegeben, um die Vertragsstörung zu beseitigen.

Aber: Es gibt Fälle, in denen der Arbeitgeber auf ein bEM verzichten kann. Deshalb kann eine Kündigung trotzdem wirksam werden, selbst wenn es eben kein bEM gab.

3. Interessenabwägung

Zu guter letzt muss es noch eine Interessenabwägung geben. Sie muss das Interesse des Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis zu beenden, dem Interesse des Arbeitsnehmers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gegenüberstellen.

Bei dieser Abwägung muss der Arbeitgeber zum einen die persönlichen Umstände des Arbeitnehmers berücksichtigen. Hier spielen zum Beispiel das Alter, der Familienstand und die Dauer der Betriebszugehörigkeit eine Rolle. Zum anderen muss er prüfen, ob der Arbeitnehmer an einer anderen Stelle im Betrieb arbeiten kann. Eine Rolle spielt außerdem, ob der Arbeitnehmer krank wurde oder einen Arbeitsunfall hatte.

Ergibt die Abwägung, dass es nicht möglich ist oder dem Arbeitgeber nicht zugemutet werden kann, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, wiegt sein Interesse schwerer.

Treffen diese drei Voraussetzungen zu, kann man wegen Krankheit gekündigt werden. Ist aber nur eine der Voraussetzungen nicht erfüllt, ist die Kündigung unwirksam.

Muss der krankheitsbedingten Kündigung eine Abmahnung vorausgehen?

Im Unterschied zu einer verhaltensbedingten Kündigung muss es vor einer personenbedingten Kündigung keine Abmahnung geben. Denn der Arbeitnehmer hat seine Vertragspflichten nicht absichtlich verletzt. Er kann schließlich nichts dafür, dass er krank geworden ist. Und deshalb muss ihn der Arbeitgeber vor der Kündigung auch nicht abmahnen.

Welche Fälle gibt es bei einer Kündigung wegen Krankheit?

Bei einer krankheitsbedingten Kündigung unterscheidet die Rechtsprechung zwischen vier verschiedenen Fällen. Sie alle können dazu führen, dass man wegen Krankheit gekündigt werden kann.

1. Häufige Kurzerkrankungen

Melden Sie sich immer wieder für wenige Tage oder Wochen krank, können sich die Fehlzeiten schnell summieren.

Muss Ihr Arbeitgeber damit rechnen, dass es auch in Zukunft solche kurzzeitigen Ausfälle geben wird, fällt die Gesundheitsprognose negativ aus. Das gilt vor allem dann, wenn die Erkrankungen ähnlich waren, sie also zum Beispiel mehrere Male erkältet waren oder orthopädische Leiden hatten. Selbst wenn die Beschwerden nicht ganz gleich sind und zum Zeitpunkt der Kündigung ausgeheilt scheinen, kann nämlich eine Anfälligkeit vorliegen. Dazu gibt es sogar ein Urteil vom Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 20.11.14, 2 AZR 755/13).

Durch die Kurzzeiterkrankungen muss der Arbeitgeber Lohnfortzahlungen leisten. Sie können für ihn teuer werden, weil er in jedem Krankheitsfall bis zu sechs Wochen lang zahlen muss. Das wiederum kann seine wirtschaftlichen Interessen beeinträchtigen. Aber auch die betrieblichen Interessen können beeinträchtigt sein. Zum Beispiel, weil Ihr Arbeitgeber regelmäßig nach einem Ersatz für Sie suchen muss.

Fällt dann auch noch die Interessenabwägung zu Ihren Ungunsten aus, sind die Voraussetzungen für eine krankheitsbedingte Kündigung erfüllt.

2. Lang andauernde Krankheit

Sind Sie zum Zeitpunkt der Kündigung schon seit längerem krank, liegt eine lang andauernde Krankheit vor. Lang meint an dieser Stelle, dass Sie schon seit über sechs Wochen oder sogar mehreren Monaten arbeitsunfähig sind. Zum Zeitpunkt der Kündigung ist unter Umständen zwar nicht ausgeschlossen, dass Sie wieder gesund werden. Allerdings kann auch noch nicht vorhergesagt werden, ob und wann Sie wieder fit sind.

Von einer negativen Gesundheitsprognose geht die Rechtsprechung üblicherweise aus, wenn in den nächsten 24 Monaten nicht mit einer Genesung zu rechnen ist. Nur kann ein Arzt einen so langen Zeitraum kaum überblicken. Und wenn er davon ausgeht, dass Sie in dieser Zeit nicht gesund werden, wird er eine dauerhafte Arbeitsunfähigkeit feststellen. Deshalb kommen Kündigungen wegen lang andauernder Krankheit in der Praxis nur sehr selten vor.

3. Dauerhafte Arbeitsunfähigkeit

Eine dauerhafte Arbeitsunfähigkeit liegt vor, wenn Sie so schwer erkrankt sind, dass Sie aller Voraussicht nach nicht mehr (ganz) gesund werden und an Ihren Arbeitsplatz zurückkehren können.

Sind Sie beispielsweise Dachdecker und nach einem unglücklichen Sturz querschnittsgelähmt, werden Sie nicht mehr als Dachdecker arbeiten können. Ihre Gesundheitsprognose ist damit offensichtlich negativ.

In diesem Fall geht die Rechtsprechung dann in aller Regel auch automatisch davon aus, dass die betrieblichen Interessen des Arbeitgebers erheblich beeinträchtigt sind. Und meist wird Ihnen der Arbeitgeber keinen leidensgerechten Arbeitsplatz anbieten können. Die Interessenabwägung fällt damit ebenfalls zu seinen Gunsten aus. Eine krankheitsbedingte Kündigung ist in solchen Fällen deshalb in der Regel zulässig und wirksam.

4. Krankheitsbedingte Leistungsminderung

Bei der Gesundheitsprognose kann sich zeigen, dass Sie zwar wieder genesen werden, aber ihre Leistungsfähigkeit krankheitsbedingt eingeschränkt bleiben wird. Ist zu erwarten, dass Sie auch in Zukunft erheblich hinter den erwarteten Leistungen zurückbleiben werden, ist die Prognose negativ.

Gleichzeitig gehen deutliche Minderleistungen meist damit einher, dass die wirtschaftlichen und/oder betrieblichen Interessen des Arbeitgebers beeinträchtigt sind. Kommt dann noch dazu, dass Sie Ihr Arbeitgeber an keinem anderen Arbeitsplatz einsetzen kann, ist die Kündigung gerechtfertigt.

Wann ist eine krankheitsbedingte Kündigung unwirksam?

Speziell bei einer Kündigung wegen Krankheit müssen die drei Voraussetzungen, die wir oben erklärt haben, erfüllt sein. Und zwar alle drei Voraussetzungen.

Davon abgesehen, muss die Kündigung natürlich auch die Bedingungen erfüllen, die allgemein für alle Kündigungen gelten. So muss die Kündigung zum Beispiel schriftlich erfolgen und Ihnen nachweislich zugehen. Gibt es einen Betriebsrat, muss der Arbeitgeber ihn anhören. Und wenn Sie schwanger sind oder eine Schwerbehinderung haben, muss der Arbeitgeber besondere Vorgaben beachten.

Was können Sie bei einer Kündigung wegen Krankheit tun?

Wie Sie sehen, kann man wegen Krankheit gekündigt werden. Und in der Praxis ist die krankheitsbedingte Kündigung sogar der häufigste Grund für eine personenbedingte Kündigung. Allerdings können Sie sich gegen die Kündigung wehren. Nämlich durch eine Kündigungsschutzklage.

Für eine solche Klage haben Sie ab dem Zugang der Kündigung drei Wochen lang Zeit. Diese Frist ist in § 4 KSchG festgelegt. Verpassen Sie die 3-Wochen-Frist, gilt die Kündigung als rechtlich wirksam.

Eine Kündigungsschutzklage verfolgt grundsätzlich das Ziel, dass die Kündigung nicht wirksam wird und Sie Ihren Arbeitsplatz behalten. Damit Sie nachweisen können, dass zum Beispiel die Gesundheitsprognose falsch war, sollten Sie deshalb alle Unterlagen, die Ihre Erkrankung und deren Verlauf dokumentieren, gut aufheben. Entbinden Sie außerdem, wenn nötig, Ihre Ärzte von der Schweigepflicht.

Wenn Sie wirklich krank sind, wird es aber oft nicht möglich sein, Sie wiedereinzustellen. Trotzdem kann sich die Klage lohnen. Denn damit sichern Sie sich die Chance, wenigstens eine Abfindung auszuhandeln.